Vom besten Restaurant der Welt über das Personalrestaurant bis zum Strandverkäufer, vom Einmannbetrieb bis zum weltweit operierenden Grossunternehmen mit Tausenden Mitarbeitenden - alle haben dasselbe Ziel: Leute mit Essen und Trinken zu versorgen, eine Dienstleistung zu erbringen und auf diese Weise Geld zu verdienen. Der unten stehende Versuch einer Klassifizierung soll Existenzgründern und Etablierten als Orientierung dienen. Doch dies ist einfacher gesagt als getan. Selbstbedienung oder Full Service? Hier gibt es bereits erste Schwierigkeiten, gewisse Betriebe einer Kategorie zuzuweisen. Denn die Grenzen können durchaus fliessend sein. Beispielsweise, wenn sich die Hungrigen am Mittag ein Tablett schnappen und in der Schlange auf die Essensausgabe warten, während sich abends die Gäste im selben Betrieb am Tisch bedienen lassen. Kurz: Es folgt eine Übersicht für alle, die den Gedanken in sich tragen, in der Gastronomie selbständig zu werden oder die als gestandene Gastronomen neue Wege beschreiten möchten. Die Aufstellung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Und Puristen, die sich an Anglizismen stören, bitten wir um Nachsicht: Die Fachsprache ist nun mal Englisch.
Mobile Gastronomie: Dorthin gehen oder fahren, wo der Umsatz ist. Eis-, Cola- und Melonenverkäufer am Strand, Sandwich-Bauchläden, Coffee Bikes, Food Trucks: Sie alle sind Teil der mobilen Gastronomie. Besonders das in den USA verbreitete Geschäftsmodell Food Truck hat auch in Europa Entwicklungspotenzial. Selbst mit einer auf einem Dreirad montierten Kaffeemaschine ("Coffee Bike") lässt sich Geld verdienen. Beispielsweise auf Baustellen, vor Sehenswürdigkeiten, auf Firmengeländen, an Sportanlässen, Strassenfesten und an weiteren Events aller Art.
Take-Aways, Drive-ins, Automaten, Lebensmittelläden, Kiosks, Wurst- und Kebab-Buden, Strassenküchen: In den letzten Jahren hat sich eine enorme Vielfalt entwickelt; die Grenzen zum Restauranttyp Quick Service/Selbstbedienung (s.unten) sind fliessend. Auf diesen Verpflegungstyp trifft der vielzitierte Ausdruck "Fast Food" wohl am besten zu. Sowohl Einzelunternehmer als auch grosse Einzelhandelsketten und Restaurant-Giganten machen in diesem Segment mit, indem sie ihr Angebot auch aufs Mitnehmen konditionieren. Starbucks als Wegbereiter des "Coffee to go" ist nur ein Beispiel dafür.
Quick Service (QS, Selbstbedienungsrestaurants/SB): Wichtigste Merkmale: Tablett und Menschenschlange am Buffet oder Ausgabe am Counter. McDonald's, Subway und Burger King gehören zu den bekanntesten Unternehmen in diesem Segment. In der Handelsgastronomie (Ikea, Migros, Coop, etc.) ist Quick Service sehr verbreitet; in Personalrestaurants, in der Betriebsverpflegung (nicht- oder halböffentlich) ist Quick Service Standard. Von der "Kantine", der einst berüchtigten, lieblos geführten Suppenküche oder Speiseanstalt in Betrieben, ist übrigens nicht mehr viel übrig geblieben. Eine Firma, die etwas auf sich hält, bietet seinen Mitarbeitenden eine Marché-ähnliche Atmosphäre mit appetitanregenden Buffets und Auslagen an (s.unten). Mit dem Wirtschaftswachstum und der Bildung von Grossunternehmen entwickelten sich weltumspannende Betriebsverpflegungsfirmen mit mehreren tausend Mitarbeitenden: Caterer mit Schwerpunkt in der Personalverpflegung wie Compass (GB) Aramark (USA) und Sodexo (F) oder auch SV Service (CH/D) sind ihrerseits zu Konzernen herangewachsen. In der Branche unterscheidet man die Segmente Care (Spitäler, Heime), Education (Schulen,Universitäten) und Business (Betriebsverpflegung. Fehlt noch "NGO" und "Military": Bei Ausschreibungen von Aufträgen kann es in diesem Segment um Milliardensummen gehen, beispielsweise wenn die US-Regierung die weltweite Verpflegung von Elite-Soldaten vergibt.
Free Flow, "Marché": Variation/Mischform von Quick Service/SB. Ausgabe von Essen an verschiedenen Stationen, teilweise SB (z.B. Getränke). In der Weiterentwicklung mit farbenfrohen, an Marktstände erinnernde Auslagen und verkaufsfördender Präsentation der Speisen sowie ansprechendem Restaurant-Design. Marché, ein florierendes Konzept, einst entwickelt von Mövenpick, schlug ein wie eine Bombe. Und wurde von Einzelhandelsketten sowie Personalrestaurants flugs kopiert. Auch einige Hotels, etwa das Baur au Lac in Zürich, bringen ihre Wertschätzung für die Mitarbeitenden mit Marché-ähnlichen Verpflegungskonzepten zum Ausdruck. Extrawünsche werden berücksichtigt, allenfalls gegen Aufpreis. Hierbei handelt es sich um eine lobenswerte, imagefördernde Einrichtung eines Grand Hotels. Betriebe, in denen "Personalfrass" wie eh' und je aufgetragen wird, gibt es ohnehin mehr als genug.
Food Court. Sonderform des Quick-Service-Modells. Shopping Malls, aber auch grosse Warenhäuser, erhöhen die Attraktivität ihrer Standorte mit einem bunten Mix von günstigen Essensangeboten vom Counter: Asia Food, Burger, Mexican, Pizza/Pasta, Fisch, Regionales, Smoothie/Saft-/Salatbars, etc. - zehn bis 20 Anbieter sind keine Seltenheit. Oft sind auch Grossunternehmen wie McD dabei. Wichtigstes Merkmal: Gemeinsam betriebene Essenszone, die einzelnen Anbieter sind meist wirtschaftlich unabhängig. Gelegentlich werden auch historische Lokalitäten zu Food Courts, durchmischt mit Läden, umfunktioniert, wobei bediente Restaurants (Full Service) das Angebot abrunden. Anmerkung: Ein derartiges Konzept verfolgten die Initianten der Münchner Schrannenhalle. Offenbar hat sich der Angebotsmix nicht bewährt. Seit Herbst 2015 führt die international tätige italienische Deli-Kette Eataly die Lokalitäten.
Eine für das Publikum nicht nachvollziehbare Schliessung ereilte die Berner Markthalle beim Hauptbahnhof. Der bei den Bernern äusserst beliebte, mit Bäckerei, Gewürz- und Weinhandlung durchmischte Gastronomie-Hotspot wurde 2013 nicht mangels Frequenzen geschlossen, sondern weil für die Immobilienbesitzer ein einziger Mieter - der Elektronikhändler Mediamarkt zog 2015 ein - offensichtlich die bessere Lösung darstellt. Rein kommerzielle Überlegungen wurden von Vermieterseite indessen stets abgestritten.
Fast Casual: Erfolgreichster Restaurant-Typ der letzten Jahre. Während grosse SB-Restaurantketten wie McDonald's Mühe bekunden, an die Erfolge vergangener Jahre anzuknüpfen, verzeichnet dieser Restauranttyp Grosserfolge. Jährliche Zuwachsraten nahe der Zehn-Prozent-Grenze sowohl in den USA als auch in Europa dürfen - gemessen an der Entwicklung anderer Restaurant-Segmente - als Sensation gewertet werden. Die Mexican-Food-Kette Chipotle gilt mit inzwischen über 1600 Einheiten als Branchen-Primus. Auch Panera Bread hat sich einem Auftritt "zwischen Fast Food und Casual Dining" verschrieben. Das heisst: Selbstbedienung (SB) mit qualitativ hochwertigen F&B-Angeboten, präsentiert in einer Atmosphäre sorgfältig inzenierter Frische. In moderneren Versionen wird auch ein "gestyltes Outfit" eingesetzt, um ein weiteres typischen Merkmal dieses schnell wachsenden Segments zu nennen. Als prominentes Beispiel einer erfolgreichen Präsentation von Werten wie Frische, Authentizität und Qualität ist beispielsweise Vapiano zu nennen: Die Einrichtung der italo-deutschen Pizza&Pasta-Kette wurde vom Südtiroler Stararchitekten Matteo Thun entworfen. Nicht unerwähnt soll die wachsende Kritik an Vapiano bleiben. Das schnelle Wachstum hat ihren Preis - Gäste beschweren sich in Foren und in der Presse über mangelnde Qualität.
Eines der erfolgreichsten Gastro-Unternehmen aller Zeiten, Starbucks (oder, wenn man will, auch Tibits) greifen ebenfalls auf Fast-Casual-Elemente zurück. Einige erfolgreiche Newcomer der "grünen Fraktion" setzen ausserdem bewusst auf Fast Casual. Konsumhaltung und Wertvorstellungen einer jungen und urbanen Kundengeneration, etwa Bio, "Farm to Table"/Frische/Regionalität, Nachhaltigkeit, Vegan/Vegetarisch oder Solidarität mit der dritten Welt ("Max Havelaar") werden von deren ebenfalls jungen Gründern geschickt in die Konzepte eingeflochten. Als Beispiel hierfür ist etwa das Zürcher Start-up "Gärtnerei" oder in der krass alternativen Variante, "Frau Gerolds Garten" (ebenfalls in Zürich) zu nennen. Fast-Casual-Konzepte waren bereits in der Vergangenheit überdurchschnittlich erfolgreich - und sie werden auch den kommenden Jahren das dominierende Thema im Restaurant Business sein. Dazu Trendexperte Pierre Nierhaus: "Bekanntlich lässt sich Fast Casual mit ein paar "F"s charakterisieren: Fast, Fresh, Full view (volle Sicht auf die Produktion), Friendly, Fair price, Full grown up approach („erwachsenes“, also ernst zu nehmendes Konzept)". Und Pierre Nierhaus fügt an: "Ein grosser Trend, da ist zweifellos ein starkes Potenzial vorhanden". Mehr...
Flex Casual, Soft Service, "Chamäleon-Betriebe": Mittags SB, abends bedientes Restaurant, nachts Disco. Relativ wenige Restaurants haben sich bisher dieser und ähnlichen Betriebsarten verschrieben - eigentlich erstaunlich. Dazu Pierre Nierhaus: "In Fast-Casual-Betrieben lassen in der Regel die Frequenzen nach 20 Uhr nach. Deshalb scheint mir Flex-Casual eine spannende Lösung. Abends mögen sich viele Kunden nicht dreimal an der Theke anstellen. Doch das Angebot muss abends glaubhaft angepasst werden. Auch sollte die Atmosphäre, beispielsweise durch die Beleuchtung, verändert werden. In Grossbritannien gibts übrigens den Soft Service. Das heisst, die Gäste können sich entweder bedienen lassen oder ihr Essen und Getränk an der Theke abholen. In Helsinki und Stockholm habe ich eine ähnliche Mischform gesehen. Restaurants wie Skands beispielsweise bieten Theken und Bedienung - die Gäste holen sich ihre Getränke, das Essen wird serviert. Nierhaus nennt weitere Beispiele: "Da fällt mir das Hotel Mandarin Oriental in Hongkong mit einer raffinierten Idee ein: Das Frühstücksbuffet lässt sich hochklappen und in eine Nachtbar verwandeln. Oder in Europa: Seit Jahren erfolgreich sind beispielsweise die Buddha Bars, die nach dem Dinner Disco und Spektakel anbieten".
US-amerikanische Institution: "Deli" - Kurzform von "Delicatessen". Diese Mischform hat in den USA längst Kultstatus. Man denke nur an "Katz's" in New York, Schauplatz der legendären Filmszene mit Meg Ryan und Billy Crystal in "When Harry Met Sally". Bei Delis handelt es sich um Delikatessen-Läden mit integriertem Imbiss, ursprünglich von jüdischen Einwanderern betrieben. Manche Delis bieten Bedienung, andere setzen auf Quick Service. Doch den "normalen" Delis in den USA erwächst neuerdings Konkurrenz von den Hard Discountern - der Druck nimmt zu. In Europas Städten scheint indessen die Zeit für diese Art Angebote reif zu sein: Die neue Deli-Kette "The Eatalian" in Hamburg beispielsweise plant Eröffnungen am laufenden Band. Ende 2014 wurde der vierte Laden im Stadtteil Eppendorf eröffnet. Die Macher planen weitere Fililalen, sowohl in Hamburg als auch anderswo. Die Gründer weisen darauf hin, dass sich ihr Konzept durch frisch zubereitetes Essen ohne lange Wartezeiten in entspannter, urbaner Atmosphäre auszeichne. Tatsächlich präsentiert sich The Eatalian als Mischung aus Coffeeshop und italienischem Delikatessen-Laden. Punkto Einrichtung macht man Anleihen an Delis in New York oder London, die hausgemachten mediterranen Speisen und der „Caffè“ sind Botschafter der italienischen Genusskultur. Kaffeespezialitäten, belegte Panini und Focaccia, Pizza, Pasta und Salate, alles frisch vor den Augen der Gäste zubereitet, bilden das Kernangebot. Längst im Geschäft mit der Sonderform Deli sind grosse Warenhäuser, etwa Harrod's in London oder Jelmoli und Globus in Zürich. In deren Lebensmittelabteilungen sind neben Food Courts auch Deli-ähnliche Betriebe in die Verkaufsflächen integriert.
Full Service (Bedientes Restaurant): Botturas "Osteria Francescana", Redzepis "Noma", Ducasses Sternebetriebe, gastronomische Institutionen wie Paul Bocuse, aber auch die Quartierbeiz, die Kneipe, der Beisl und die Bauernwirtschaft ("Buschenschenke", "Besenbeiz") oder die Strandbude mit Kleinstangebot - immer mit Bedienung - sie alle gehören in diese Kategorie der Verpflegungsbetriebe. In der konventionellen Ausprägung kommt eine aufgelegte Speisekarte zum Zug. Manchmal teilt auch die Bedienung das Angebot mündlich mit oder verweist auf eine Wandtafel. Nicht mehr wegzudenken sind die digitalen Helfer: Tablets, Displays an der Wand oder gar Tische mit integriertem Bildschirm. Full-Service-Restaurants im Industriebetrieb? Ja, sicher. Gut verdienende Unternehmen, etwa Banken, High-Tech-Firmen oder Pharma-Riesen stellen Spitzenköche ein, um Firmenkunden im eigenen Restaurant zu beeindrucken und Mitglieder der Unternehmensleitung zu verwöhnen.
Sonderform Restaurant Ikarus, Hangar 7, Salzburg. Bisher einmaliges Konzept unter dem Patronat von Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann: Spitzenköche aus aller Welt werden eingeladen, während eines Monats ihre Spezialitäten zu präsentieren. Was das Restaurant Ikarus im Hangar 7 in Salzburg auf höchstem Niveau praktiziert, will nun auch das Startup "Laden ein" in Köln verwirklichen. Alle 14 Tage zieht ein Küchenteam mit einem neuen Konzept in das Restaurant ohne fest angestellten Küchenchef ein. Auf Tafeln und auf der Website heisst es dann beispielsweise: "Big Hug BBQ laden ein" oder "Locura laden ein". Mehr...
Spektakuläre Sonderformen: "Rollercoaster" oder "Achterbahn-Restaurants" (sBaggers, Nürnberg, Food Loop, Europa-Park, Rollercoaster im Prater Wien), "Drohnen-Service"," Running Sushi": Sushi-Bars mit Fliessband, Roboter statt Kellner.
Sonderform Event Catering, Flight Catering. Ist es mobile Gastronomie? Ja und nein. In den letzten Jahren teils boomartig gewachsenes, sehr intransparentes Marktsegment mit einer Vielzahl von Anbietern. Von Take away bis Bedienung ist alles möglich. So haben beispielsweise die Schweizer Einzelhandelsketten Migros und Coop ihre Positionen im Catering und speziell im Event Catering stark ausgebaut. Sportanlässe, Gala-Abende, Preisverleihungen, TV-Sendungen, Festivals, Messen und Ausstellungen, Firmenfeiern, Behörden- oder Regierungs-Empfänge haben einigen Unternehmen wie Käfer oder Dussmann enormes Wachstum beschert. Bordverpflegung, die Versorgung von Passagieren in der Luft, hat weltweit operierende Unternehmen wie Sky Chefs und Gate Gourmet hervorgebracht. Weiteres Beispiel: Do&Co. (Wien). Die Firma des türkischstämmigen Österreichers Attila Dogudan war an Grossanlässen wie die Fussball-EM 2008 tätig , Air Catering und Bewirtung bei Formel-1-Rennen sind weitere Geschäftsfelder. Jährlich liefert Do&Co. nach eigenen Angaben gegen hundert Millionen Mahlzeiten aus.
Sonderform Pop-up-Restaurants, zeitlich begrenzt, oft von Caterern, Vereinen, losen Vereinigungen oder Jungunternehmern betrieben: Meist Full-Service-Restaurants in temporär leerstehenden Lokalitäten. Meldungen über Pop-ups werden von den Medien begierig aufgenommen. Dazu ein bekannter Caterer: Schon allein der Publicity wegen lohne sich die Eröffnung eines Pop-ups. Pop-down. Wer beispielsweise als Restaurantkette mit einem Foodtruck an Sommer-Festivals zieht, betreibt "Pop-down". Oder ein Coffee Shop entschliesst sich, ins Coffee-Bike-Geschäft einzusteigen. Mit anderen Worten: Der mobile Auftritt dient neben der Umsatzsteigerung auch dazu, das Unternehmen neuen Kundenschichten bekannt zu machen. Mehr...
Weiterführende Links:
Berlin: Vom Bio-Restaurant bis zum vegetarischen Kiosk - die Liste
Trendexperte Pierre Nierhaus im artichox-Interview über Restaurantkonzepte. Mehr...
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